Kleines Vorwort
Seit einigen Tagen sind wir jetzt hier beim Cédric (10) zum Nichtstun und zum Ausruhen. Die Pferde genießen es ebenfalls.
Aber dann, eines schönen Morgens : Pferde futsch.
Anne ist total aufgelöst. Wir, ohne Frühstück los, und die Suche beginnt. Aber wo suchen ? An den Spuren können wir ungefähr erraten, welchen Weg sie genommen haben. Zickzack, von einer Wiese zur anderen, offensichtlich in aller Gemütlichkeit.
Wir fanden sie wieder, nachdem wir über das Lokalradio eine Verlustnachricht durchgegeben hatten.
Aber das bin ich, der das so sieht.
Hier ein Versuch der Entschlüsselung einer der Pup-Sequenzen von Noé :
Also, eines verstehe ich nicht : Wozu dieses unaufhörliche Greinen und Geschluchze die ganze Nacht lang ? Bis hin zu unserer Wiese war Annes Jammern zu hören. Versteht sie rein gar nichts ? Weint sie wirklich um uns, da, wo wir in unserem Glück nur so baden ? Nein, das kann doch nicht sein. In ihrer beschränkten Eigensucht weint sie sicherlich mehr um ihren Verlust als um Sorge um uns.
Wenn sie nur wüsste . . .
Nun gut, in jener Gewitternacht habe ich meiner etwas begriffsstutzigen Schwester durch einen leichten Hinterhuf-Kitzler beibringen müssen, dass es sich hier lediglich um ein simples Gewitter und nicht um den Weltuntergang handelte. Nun wurde mein leichtes Kitzeln derart durch einen Donnerschlag angewürzt, dass Schwesterchen total ausrastete und sich im Gelinge der Stromumzäunung verhaspelte, was sie Polka tanzen ließ. Die Hochspannung des Zaunbandes, zart akzentuiert durch Blitze und Donnergrollen und dadurch noch schmackhafter, veranlasste meine wie von der Tarantel gestochenen Schwester das gesamte Gewurstele des Stromzaunes zu einem unentwirrbaren, stromzuckenden Knäuel zu verzwirbeln.
Und da begriff ich mit einem Schlage : Nur unter Schmerzen geschieht der erste Schritt in die Freiheit. (. . . wenn’s auch die Schmerzen des Anderen sind, Schmerz ist bei jeder befreienden Revolution notwendig, sonst ist es keine . . .)
Es kostete mich einige Mühe um mein dümmliches Schwesterherzchen zu beruhigen. Ich führte sie sachte in den Garten, um sie den letzten, von mir übriggelassenen Salatkopf einnehmen zu lassen : Salat beruhigt. Und es gibt nichts besseres an Nervennahrung als junge, gerade gepflanzte Kohlpflänzchen.
Und dann ? Ab in die Freiheit ! ! !
Eine Wiese, saftiger als die andere, entrollte sich vor unserem gemütlichen Trab. Buschige Hecken zum Rinde knabbern und Schatten suchen, überall. Wirklich, es ist Garten Eden.
Leider hat das körperliche Fassungsvermögen selbst eines Pferdes seine Grenzen. Man kann sich nicht unablässig, selbst mit den leckersten Kräutern füllen. Ab und an muss ein Schläfchen eingelegt werden um den müden Kaumuskel neue Kraft sammeln zu lassen.
Und dann wieder einfach so weiter trödeln, auf eine andere Wiese, zu einem Bächlein hin, Durst hat man ja auch manchmal.
Nur zwei Tage und zwei Nächte währte dieses Paradies, dann kamen sie um die Ecke, die Stricke in der Hand, mit giftig-süßer Miene.
Wie war das nur möglich ? Waren wir doch so gut hinter einer Buschreihe versteckt gewesen !
Diese Menschen ! ! !
Teuflische Zauberer sind das ! Sie haben Maschinen mit denen sie mittels Telepathie sich verständigen können. Sie haben ausgehöhlte Eisenpferde, schneller als der Wind, sie sitzen darinnen, nicht darauf, wie auf uns. Diese Satansbrut !
Alles, alles wollen sie unter ihr Joch zwingen. Bäume sogar, selbst Elefanten ! Genauso wie uns.
Wölfe haben sie zu Hunden verhunzt, und wenn ich mich so selber im klaren Spiegel des Teiches anschaue . . . schnell sehe ich lieber weg.
So fern, so fern die Steppen meiner Ahnen, so verschandelt ihr Bild.
Nichts, rein gar nichts verstehen sie, bis sie schließlich an ihrer Machtgier und an ihrer Habsucht ersticken werden.
Nur ihre verbohrte Dummheit und ihre Blindheit könnten sie entschuldigen. Wirklich, sie merken es nicht einmal !
Es sind eben nur Menschen, und sie können nichts dafür.
Deswegen können wir ihnen auch nicht so abgrundtief böse sein, und so ziehen wir weiterhin willig dieses schwere Holzfass in welches sie nächtens hineinkriechen, ohne selbst von grünen Weiden zu träumen und vom Wind über den Steppen der Freiheit.
Und außerdem, was mein Schwesterherzchen anbetrifft, sie ist mein einziger Trost
Im Juli 2014