Also :
So ganz sicher bin ich noch nicht, aber es sieht so aus, als wenn erst jetzt unsere richtige Fahrt beginnt. Vorher waren wir noch in bekanntem Gebiet, nichts wollte so richtig klappen. Freunde kutschierten uns nochmal schnell nach Hause, für den vergessenen Krimskrams, die Einkäufe tätigten wir in den gewohnten Läden, und die Menschen, mit denen wir zu tun hatten, waren uns bekannt.
Lange saßen wir über unseren Landkarten und fuhren mit dem Finger spazieren. Unsere Entscheidung : Rhone-Tal runter, dann wird wohl schon der herbst kommen. Dann so dicht wie möglich unten an der Küste entlang und hoch in die Po-Ebene.
Ich weiß nicht, wie und wann ich mir die Muße nehmen will hier etwas zu schreiben, und wenn ja, in welcher Form. Die Landkarte werde ich, soweit wie möglich, immer auf dem neuesten Stand halten. Dort kann man also sehen wo wir gerade sind und Ratespiele veranstalten, wie es weitergeht.
Regen, Regen, graue Schleier
Tropfen klopfen auf das Dach.
Barfuß platschen weich in Pfützen,
Spritzer an der Stirne blitzen,
perlen prickelnd trunken wach.
Waren das die goldnen Jahre
Entenpatscher ohne Schuh ?
All die Wege die erfahren
schütten dieses mauern zu.
Nadines Boutique
Nadine schenkt uns Wasser für die Pferde.
Die Hände ineinander geflochten, darüber das Puppengesicht.
Es erzählt.
Nadine wohnt darin.
Zählen, Zahlen, und wie stolz sie ist und der Geldbeutel wölbt sich
in unauffälliger Gesundheit.
Bescheidener Wohlstand.
Nadine färbt sich darin, so wie ihre Haare
Sorglosigkeit des Alltäglichen.
Nadine ist auch, und das muss erwähnt werden,
sie ist ein sehr nettes Frauenzimmer :
Nadine schenkt uns Wasser für die Pferde.
Der Mechaniker von Crevant
Ein fuchsfarbenes Meerschweinchen, kurzhaarig.
Die klugen Äuglein blitzen, flinke Finger fingern um die Bremsbelege
Alles soll richtig sein.
Bissiges Fauchen über diejenigen, die vorher hier am Werk gewesen sind.
Nur er ist ein guter Mechaniker !
Im weiten Umkreis
Bremsen sollen die Bremsen
und fahren das Fuhrwerk und wir
Der Parkplatz
Das ganze Dörflein mit Autos verstellt.
Ich fragte den Vize-Bürgermeister ob hier ein Länderspiel stattfindet.
Nein, sagt er und zeigt den Platz, wo wir kampieren können.
Eine Beerdigung, sagt er.
Schrotthänger mit Supermarkt-Werbung und Rostblumen
Turm ausgefranster Reifen, daneben das, was einmal ein Lieferwagen war.
Darin ein Guru mit seinen zwei Weibchen und Hunden.
Wild tätowiert.
Es duftet nach Shit, Schweiß und Alkohol.
Die Schellenknöpfen in den Lippen des Erleuchteten
bimmeln wie Knöchelschwellungen eines Skeletts,
das Weisheiten redend absondert
die Weibchen himmeln
Die Schellenknöpfen, eingestanzt in die Lippen des Erleuchteten,
funkeln wie Diamanten.
Die Schellenknöpfen in den Lippen des Erleuchteten
fesseln mich, dass ich an seinen Lippen hängen bleiben möchte.
Ich bin ein so unwissender Tropf.
Der Wasserhahn
Gut sichtbar, nicht zu weit entfernt,
da stelzt er auf einem Bein und wartet.
Anfangs war ich erfreut, jetzt aber versinke ich in tiefer Traurigkeit :
Wozu nur diese ständigen Forderungen
die das Leben so unangenehm machen
und verdüstern ?
Wozu muss man sich andauernd waschen ?
Als ich in die dunkle Stube trat, erschrak ich.
Ist das der Dorfladen ? Aller Krimskrams versteckt sich in halbdunkler Intimität. Dann erst sehe ich die menschliche Gestalt in Schwarz und in Grau gekleidet.
Ich stellte meine Frage nach dem Bürgermeister.
Das faltige Weiblein meint, wir könnten auf der Weide ihres Sohnes kampieren, der Bürgermeister mag kein fahrendes Volk. Sie kramt ein Telefon hervor, fingert steif und umständlich, dann spricht sie mit einer Christine. Offensichtlich die Frau ihres Sohnes. Christine will rumkommen, wir möchten warten.
Anne wartet auf dem Kutschbock, die Zügel in der Hand, bis Christine kommt. Rundes Wackeln, freundliches Gesicht. Sie erklärt den Weg zu ihrem Haus als wären wir alte Bekannte.
Ich gehe vorne weg und weise meine Anne ein, bis wir vor dem Schuppen sind, der offensichtlich die bezeichnete Werkstatt ist.
Dann kommt der dazugehörige Mann. Ein strammes Tönnchen mit Brüsten. Knopfgesicht.
Wir schirren ab, spannen den E-Zaun und lassen die Pferde auf die Weide. Dann werden wir zum Essen eingeladen.
Ein schönes Holzhaus, lieb gezimmert.
Es gibt Reis und Makrelen auf dem Grill.
Sohnemann kommt runter aus seiner Bude. Sonniges offenes Gesicht, ganz lieb. Er studiert Geschichte, wie wir später erfahren.
Langsam heben sich die Verhüllungen die mir diese Menschen verschleiert haben. Es werden ganz sympathische Menschenkinder mit richtigen Namen und Du. Was die ersten Eindrücke doch so alles zuschütten !Den ganzen Abend gequatscht und sich näher kennengelernt.
Ich will mir Mühe geben.
Ein schmucker Ferien-Landsitz.
Uns fiel die Weise, wie das Haus renoviert war, auf. Das war kein Bauernhof, Also vielleicht könnte es hier klappen ?
Es klappte. Der Hausherr sagte ohne Zögern ja.
Sehr diskretes Beschnüffeln, sich in gehörigem Abstand umkreisen. Nur die stark pubertierende Tochter kam, stellte Fragen und wollte alles wissen.
Ich glaube, mit der Zeit, werde ich meinen eingerosteten Tramper-Riecher wieder flott kriegen, um zu wittern, ob Nachfragen lohnen. Mit der Roulotte anhalten, einen günstigen Stellplatz finden, das ist etwas umständlicher als den Tramper-Daumen zu zücken.
Das ist unser erster mehrtägiger Halt, ohne reparieren zu müssen, ohne Ängste und ohne Stress.
Einfach nur ausruhen, herumspazieren, nichts tun.
Natürlich liegen kleine Flickarbeiten an, die Pferde müssen gepumbselt werden, Einkäufe machen. Cédéric, der Hausherr, fährt uns in den Marktflecken Boussac.
Irgendwie fühle ich, dass alles, was vorher gewesen ist, unsere erste Etappe war.
Wir sind wohl erst wenige Wochen unterwegs, aber langsam werden wir routinierter und fühlen uns sicherer.
Aber trotzdem : So ein gemütliches, faules Herumgetuckele ist diese Fahrt noch immer nicht. Noch wackelt das Urvertrauen.