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Geistlos Geistreiches aus Ungarn 24. Juni 2015

Wie lange wir schon hier im Lande sind, verschwimmt langsam in meinem Be­wusstsein. Wenn ich in Annes Liste schaue, sind es schon über 30 Tage, also ein Monat lang.
Es ist Sommer, heiß und drückend zuerst, jetzt etwas kühler. Manchmal Regen.
Das Wetter:
Es spielt eine ziemlich bedeutende Rolle auf unserer Reise. Jeden Tag mel­det es sich frech oder sogar aufmüpfig an und piesackt uns dann entweder zartfühlend oder recht brutal.

Wenn sich interessantere Ereignisse in die Ritzen des Nicht-Vorhanden-Seins verkrochen haben, ist es besonders stark anwesend, das Wetter.
Und so ist es gegenwärtig.
Die Zeit ist mit Warten angefüllt, oder eher mit geistigem Vor-sich-hin-dösen. Und das, während andere Leute irgendwelche Reparaturen an der Roulotte durchführen oder eher durchführen sollten, aber gerade abwesend sind. Oder, wie dann etwas später, wir durch die nicht funktionierende Scheiben­bremse, und eine lecke Luftfederung aus unserem Alltagstrott aufgeweckt werden.
Wir waren wohl schon etwas weiter gefahren nach dem Zweiwochen-Aufent­halt in Püspökmolnári (Nr. 115, 118) heilfroh den Mückenplatz verlassen zu haben, da mussten wir wieder umkehren und dorthin zurückfahren. Die Vorderbremse funktioniert ganz und gar nicht mehr.

Mäuse melken?
Wenn da wenigstens nur welche wären. . .
Nach einer gewissen Zeitspanne des flutschigen Dahinplätscherns unserer Reise quietscht und hakt es wieder gewaltig, als wären da böse Geister am Werke.
À propos Geister:
Da muss ich an meine damalige Ferienfahrt durch Kambodscha denken.
Dort ist es augenfällig, dass überall Geister nisten. In den Bäumen, unter der Erde, in den Bergen von Phnum Samkoh. Die liegen nahe der an der Grenze zu Thailand, wo es ebenfalls von Geistern nur so wimmelt.

Die Erdgeister zum Beispiel, werden wohl durch die Anwesenheit von Bau­trupps gestört, wenn ein Haus gebaut werden soll. Aber man hat sich mitein­ander arrangiert.


Da der entsprechende Erdgeist unter der dicken Grobschüttung der Beton­platte unter dem Grundgeschoss zu ersticken droht, und somit aus seinem angestammten Nest verscheucht wird, stellen die Bauarbeiter ihm schon vorher ein niedliches Geisterhäuschen auf, zu kaufen in jedem Baumarkt.

Dann wird der Geist mit Räucherstäb­chen und süßem Reis angeködert, bis er sich dort einnistet.
Erst jetzt kann die Betonsohle armiert und gegossen werden.
Flussgeister am Mekong und dessen zahlreichen Nebenarmen sind beson­ders reizbar, was an den häufigen Überschwemmungskatastrophen zu erken­nen ist. Sie müssen durch reichhaltige Geschenke ruhig gehalten werden.

Das sieht man an den Haufen der Opfergaben die zu beiden Ufern einen un­unterbrochenen Saum bilden und die sich besonders unter Brücken zu meter­hohen Halden auftürmen.


Zum Glück bevorzugen kambodschanische Flussgeister Müll.
Die Geister des Meeres allerdings spülen wahllos verstreute Opfergaben im Strom der Gezeiten hinfort und benötigen deswegen wiederum ein spezielles Häuschen, wohlgemerkt in Blau.

Aber wieder zurück nach Europa, wo es auch nicht allzu geistlos hergeht.
Als Europäer, der schon seit dem Säuglingsalter von der abendländischen Kultur umspült worden ist, erkennt man sofort die feinen Unterschiede von Land zu Land.
Italienische Erdgeister zum Beispiel, die es unter der Asphaltdecke der Stra­ßen nicht aushalten können und deswegen in die Seitengräben ausweichen müssen, werden dort mit Bierdosen und Colaflaschen beruhigt.


Zu erwähnen allerdings ist, dass die italienischen Erdgeister entweder zu dumm oder zu bescheiden sind: Sie begnügen sich mit Leergut, und das, verglichen mit kambodschanischen Geistern, nur in geringen Mengen..

Selbst Geisterhäuschen (San Phra Phum in Thailand genannt) gibt es nicht nur in Südostasien, so wie in ព្រះរាជាណាចក្រកម្ពុជា, sondern auch in den Ländern die wir gegenwärtig durchqueren.
So werden in Italien Jungfrauen, oft mit einem Säugling im Arm, in winzigem Gemäuer hinter einer vergitterten Tür gefangen gehalten.

Offensichtlich han­delt es sich hier um übelgesinnte Geister welche Kleinkinder entführen. Wie sollte es sich hier auch um ein eigenes Kind handeln? Denn, wie gesagt, es handelt sich hier um Jungfrauen. Folglich ist das Kind geklaut.
Einige von ihnen konnten allerdings entfleuchen und als „la Dama Bianca“ nächtens ihr Unwesen treiben. (In Frankreich kommen sie ebenfalls als „Dame Blanche“ vor, nicht zu verwechseln mit der Weißen Frau der Hohen­zollern!)
Handzahme Exemplare gibt es zum Glück auch. Sie tragen meist keinen Säugling, sind also sauber, was das anbetrifft. Sie stehen frei und unvergittert unter ihrem Baldachin und tun Gutes, was sich sehr beruhigend auf die gestresste Psyche des Verkehrsteilnehmers auswirkt.





In Slowenien, so wie in Österreich, seltener auch in Ungarn, verschreckt an man­cher Wegeskreuzung, eine angenagelte Leiche den arglosen Wanderer.


Um besser zur Geltung zu kommen, sind die Arme des Leichnams weit ausge­breitet, die Beine allerdings sind übereinander gefaltet, was die Form eines Kreuzes für die Befestigung des Kadavers bedingt. Wohlgemerkt, es ist im­mer eine Männerleiche. Bei Frauenleichen würde die Befestigung ein großes X benötigen, um auch die Beine schön gespreizt zu halten. Doch wegen der Anstößigkeit und des höheren Holzverbrauchs ist dieses nicht üblich.
Was diese Leichen an den vielen Wegkreuzungen so anleiern, weiß ich nicht. Einige von ihnen scheinen allerdings einen enormen Wirkungsgrad zu haben, was man an den Blumenopfern sieht, die wie Komposthaufen zu ihren Füßen aufgetürmt sind.
Österreich und Slowenien sind verglichen mit Ungarn pingelig-propere Länd­chen. Das erkennt man auch daran, dass dort die Männerleichen unter einem Dach vor Nebel und Regen geschützt sind, um die übelriechende Verwesung zu verhindern. In Ungarn allerdings, sind die Leichen Wind und Wetter ausge­setzt. Dort ist man, was Hygiene anbetrifft anscheinend etwas lockerer.

Aber kann es sein, dass die Ungarn sich dessen schamvoll bewusst sind ?
Auf jeden Fall ist es hier so, dass man sich bei unserer Ankunft in einem Dorf scheu zurückhält, selbst dann, wenn wir uns kurz vorher geduscht haben.
In Italien waren wir stets von einer neugierig schnatternden Menge umringt, in Slowenien wurde es schon etwas weniger, und hier in Ungarn verebbt der Strom der Schaulustigen ganz und gar. Sind die Ungarn nur zurückhaltend oder einfach zu taktvoll ? Oder, fehlt ihnen jeglicher Wissensdurst was Frem­des anbetrifft ?
Wenn wir jemanden um Hilfe bitten, wird sie uns anstandslos gewährt. Danach allerdings brauchen wir kein stundenlanges Ausfragen über uns ergehen zu lassen. Auch die italienische Geschenke-Flut fehlt hier, denn der Balaton (Plattensee) ist ein gezeitenloses Binnenmeer.
Oder liegt das vielleicht daran, dass wir nach einem gestrichenen Jahr des Umherreisens schon zu abgewetzt und ausgefusselt sind, dass uns die Leute ausweichen ? Waschen tun wir uns auch etwas weniger als der normale, sesshafte Mitteleuropäer. Müffeln wir schon etwas ?

Was nun die genaue Beurteilung des ungarischen Volkscharakters anbetrifft, da bin ich in einer ausgezeichneten Position: Wir sind nur seit kurzem hier.
Wohlgemerkt: Volkscharakter ist ein Phänomen das nur bei einer gewissen Entfernung zu den beobachteten Einwohnern erscheint. Näher betrachtet löst sich diese Eigenschaft in Boglárka, Zsombor, Gergö, Balász oder wie sie sonst noch heißen, auf. Das verhält sich so wie beim deutschen Volkscharakter, der zum Beispiel am besten von einem Franzosen gesehen wird, der noch niemals in Deutschland war. Noch besser ist bei einem Chileno, weil der bekanntlich noch weiter weg wohnt.
Hier also Wahrheiten über Ungarn:
Der Magyare ist scheu und haust hinter dem Zaun des Gärtchens seines langgestreckten Hauses das sich in einem der kilometerlangen Straßendörfer befindet. Das Asphaltband der Landstraße verläuft zwischen den beiden Häuserreihen links und rechts, daneben ein etwa 10 m breiter Grünstreifen, ebenfalls links und rechts. Ein aus Betonplatten bestehender Gehweg läuft die Abzäunungen zu den Grundstücken entlang. Oben ist alles vom Gewirr der ineinander verhäkelten Kabel eingesponnen. Die Sonne scheint aber doch durch, und lässt die Farben leuchten.




Eine Kneipe, in der stets ein Grüppchen alter Saufköppe hocken, ist ebenfalls vorhanden. Das Bier schmeckt gut.
Der Ungar scheint außerdem unter akuter Schlaflosigkeit zu leiden. Er bekämpft diese verbissen durch frühes Zubettgehen, was allerdings wenig nützt. Schon um 6 Uhr macht der Dorfladen auf, in den Städtchen ist es auch schon um 5 Uhr. Die rührige Hausfrau drängt sich ins Lädchen um dem Ehemann zu versorgen. Dieser macht sich für die Maloche fertig, und ab geht’s.

Bei diesem Verhalten kann es sich unmöglich um das Syndrom der senilen Bettflucht handeln, denn auch das Jungvolk ist früh auf den Beinen.
Was diese Beschreibung des ungarischen Alltags anbetrifft, kann sich die werte Leserin sicher sein, dass es ein genaues Abbild des hiesigen Lebens ist, denn wir meiden größere Ortschaften und bewegen uns nur auf dem flachen Lande, von dem es hier übrigens sehr viel gibt.
Hier, wo wir gerade sind, ist der Boden so fruchtbar, dass überall riesenhafte Ackerflächen das Land furchtbar verzieren. Waldstückchen ab und an, schnurgerade Straßen, gesäumt von Obstbäumen. Verstreute Einzelgehöfte habe ich nicht gesehen, man reiht sich zum Wohnen lieber ins Reihendorf ein.


Ab und an die Ruinen einer verfallenen Kolchose, Zeugnis des verdampften realen Sozialismus, künden, ein wenig außerhalb des Dorfes, vom kommunistischen Paradies. Grau und freudlos.
Ach so, man liebt hier Bushäuschen. Schmucke Exemplare säumen den Straßenrand im Dorf, manchmal selbst in freier Landschaft.

Bushäuschen sind dazu eingerichtet die oder den vor Regen und Sonne zu schützen, was danach in den Bus reinkommt. Bushäuschen sind von der Europäischen Union gestiftet damit bekannt wird, dass Europa nicht nur aus Normen, Standardisierungen und dem Krümmungswinkel der Eurogurke besteht. Trotzdem haben die Eurokraten auch hier alles vermurkst und jegliche Sympathie verspielt.
Aber zum Trost und zum Schluss ein Bild von dieser ungarischen Wollsau, die außerhalb jeglicher Euronorm sich ihres Daseins erfreut, bis dass die Wurst sie einholt.

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