Mal ohne tiefgründige Höhenflüge:
Jetzt haben wir’s Ende April, und wir sind quer durch Norditalien gefahren um dann schließlich hier in Slowenien anzukommen.
Anfangs wollte ich, genauso wie meine Anne, so eine Art Reise-Tagebuch schreiben, mit Bildern und Berichten.
Aber wie zu sehen, ich war zu faul dazu.
Trotzdem lasse ich den Anfang meiner guten Vorsätze hier stehen. Das war im November und scheint mir eine Ewigkeit entfernt.
Hier mein erster Text, der dann langsam in neueres Geschreibsel übergeht:
Der Anfang
Es könnte sein, dass es da Leserinnen dieser Seiten gibt, die sich nicht allzu sehr für tief gründelnde Ergüsse interessieren, sondern eher wissen möchten, wo wir sind und was wir so treiben.
Wir sind jetzt in Bella Italia, und die Noé, unsere Wunderstute, ist wiedermal krank und lässt uns nicht weiterfahren.
Über die Alpen sind wir mit einem Brummi transportiert worden: Pferde, Hänger und ich hinten im Brummi, die Roulotte auf einem Extra-Anhänger, hinten am Lastwagen. Fahrer, Beifahrer und Anne vorn drinnen.
Mit Zwischenhalten dauerte der ganze Spaß sechs Stunden, Wir fuhren zwischen 50 und 60.
In Susa, einem sehr lebendigen Ort am Ende eines Tales, das sich hin zur Ebene öffnet, fanden wir einen Stellplatz neben einem Stück Brachland-Wiese. Dort kübelte man uns aus.
Das Wusel befreite sich sofort von seinem Überdruck und die Pferde machten sich augenblicklich an ihre Lieblingsbeschäftigung: Grasen.
Wir blieben für einige Tage in Susa, wo wir auf die neuen Kummets warteten, die wir vor Wochen bestellt hatte. Und siehe da, die Dinger wurden sogar geliefert, kostenlos. (. . . die Lieferung, nicht die Kummets.)
In der Wartezeit, dieses Mal nicht, welch Wunder, wegen irgendwelcher Krankheiten, sahen wir uns im Ort um und gewöhnten uns an die Tatsache das wir nichts mehr kapierten, was da so geredet wurde, Aber langsam, langsam, schnappten wir doch so den einen und den anderen Sprachbrocken auf. Viele Leute reden hier in Piemontesisch, das viel mit dem Französischen gemeinsam hat. Hier einige Bilder aus Susa:
Das ist uns zuerst aufgefallen:
Die Briefkästen in verbrauchtem Rot, die Art wie man den Tod eines der Lieben bekanntgibt, die gepflasterten Straßen in der Altstadt, und schließlich, dass es uns bisher nicht möglich war, Briefmarken zu ergattern. Weder im Postamt noch in den Tabakläden. Anne wollte nämlich Postkarten an ihre Familie verschicken.
Sie hat es sogar eine Woche später geschafft. Da war nämlich eine gute Seele, welche uns fünf Stück verkaufte. „Die gibt’s bei uns im Kramladen.“ war die Antwort auf unsere Frage hin.
Die Piemontesen sind offensichtlich sehr gute Geschäftsleute:
Erstens erhöhen sie die Preise durch ein rares Angebot, und dann schlagen sie richtig zu.
Es ist nicht so wie wir es kennen: Bei uns verdient die Post nämlich nichts an dem Briefmarkenverkauf. Für eine 1 € Marke zahlt man nur einen Euro, mehr nicht.
Hier ist es genauso. Im Postamt.
Aber im Unterschied zu Deutschland gibt es genau aus diesem Grunde im Postamt keine Briefmarken, oder nur sehr selten. Die Dinger werden in anderen Läden angeboten, allerdings zu 1,20 €, was ja auch logisch ist. Man muss ja schließlich von irgend etwas leben. . .
Und langsam zuckelten wir weiter
Der Wunderstute Noé ging es schlechter und schlechter, bis nichts, wirklich rein gar nichts mehr ging.
Zuletzt, wir hatten uns hinter einen Fabrikhof geflüchtet, bemerkte uns ein netter Mensch der behauptete, eine noch nettere Tierärztin zu kennen, und er rief sie an. Innerhalb von 10 Minuten war sie da, obwohl es gerade Sonntag war.
Das war unsere Wunderheilerin Carolina.
Carolina, die Rosshexe und Pferde-Knuddlerin, bewirkte Wunder an der kranken Stute, die uns aber trotz allem eine erneute Wartezeit von drei Wochen auf drängelte.
Carolina entdeckte einen uralten Abszess im linken Vorderhuf, der so tief saß, dass er nur mit Wickeln und Bädern zu behandeln war. Nach guter alter Hexentradition nahm Carolina kein Geld, aber um so mehr Drückungen und Pumbselungen entgegen.
Danach durften wir nur ganz kurze Strecken zurücklegen und mussten ständig Ruhetage einschieben.
So umkringelten wir Torino, und später auch Milano in großem Bogen.
Das half uns aber nur wenig, denn die ganze Gegend ist derart zu-gesiedelt, dass überall eine Art Vorstadt ist. Mit Wohngebieten, Industriezonen, dann ab und an ein intensiv bearbeitetes Stück Land: Gemüse Anbau, Obst, Raygras für die Milchwirtschaft, und dann später, Reis, Reis, Reis.
Obwohl wir nur die kleinen gelben Straßen unserer Landkarte benutzten und größere Städte mieden wie die Pest, mussten wir uns ständig durch das dickste Verkehrsgewühl quetschen. Tag und Nacht donnerte und dröhnte der ständige Strom der Lastwagen, was besonders meine Anne zermürbte und krank machte. Nord-Italien ist kein Landstrich, sondern eine Stadt mit kleinen Inseln von Vorstädten durchsetzt. Nur in der östlichsten Provinz, dem Friuli, sahen wir manchmal anderes als Industriebetriebe oder Wohnvororte. Jetzt, an der slowenischen Grenze kampieren wir mitten in einem bergigen Wald und der Verkehrslärm dringt nur wie fernes Meeresrauschen von der Ebene her zu uns herauf.
Über die Festtage zu Weihnachten und zu Ostern wurden wir mit dem traditionellen Festgebäck und mit Prosecco überschüttet. Aber auch an den anderen, ganz normalen Tagen trafen wir unzählige liebe Menschen die uns in Essen, Trinken und ihrer Gastfreundschaft baden ließen.
Bei all der Herzlichkeit und den vielen Geschenken die wir empfingen, es war nicht immer sehr leicht einen Platz für die Nacht zu finden.
In Frankreich ist jede Gemeinde über 1000 Einwohnern gesetzlich dazu verpflichtet, einen Stellplatz für fahrendes Volk bereit zu halten. Mit Klo und fließend Wasser. Gut den französischen Gepflogenheiten folgend was den Unterschied zwischen Wort und Tat anbetrifft, ist dieses auch ab und an der Fall, aber bei weitem nicht immer. Wenn es nun keinen Extraplatz gibt, ist es doch nicht allzu schwer Gemeindeland zu finden, wo man sich hinstellen kann. Was den französischen Bauern anbetrifft, der hat seine Wiese für die Kuh und lässt nichts anderes drauf. Klare Sache, nicht viel Rumgequatsche, sondern ran an die Arbeit. Und wer so herumreist wie wir, der arbeitet nicht. Ebenfalls klare Sache.
In Italien ist’s anders herum:
Die Gemeinden jagen einen raus, die Bauern lassen walten oder sind sogar sehr gastfreundlich. Die Schwierigkeit allerdings: Es gibt kaum Bauern, sondern nur Agro-Industriebetriebe wo niemand ist der Bescheid weiß, wo wir uns hinstellen könnten.
Überlebt aber haben wir trotzdem, und wir fanden sogar einen Stellplatz für jede Nacht, wie auf der Landkarte zu bestaunen ist.
Was den direkten Kontakt zu der Bevölkerung anbetrifft, so haben wir erfahren, dass die Italiener spontaner und herzlicher reagieren als die Menschen, deren Weg wir in Frankreich kreuzten. Aber Freundlichkeit und Gastfreundschaft trafen wir überall, eben nur etwas überschäumender in Italien.
Luciano und einige norditalienische Bräuche und Sitten
Wir trafen ihn in einem kleinen Ort bei Torino.
Luciano ist ein Schleckermäulchen und Feinschmecker. Ein Herz und eine Seele. Er zeigte uns manch gutes Restaurant, kleine Trattorias, versteckte Pizzabackstuben.
Es war er, der uns vieles von Land und Leuten erklärte und die beiden Großstädte Torino und Milano ausführlich zeigte. (Man sollte Annes Artikel lesen, indem man sie überguggelt. Das gibt wohl sehr barocke Gebilde der deutschen Sprache, ist aber dennoch besser zu kapieren als Franze.)
Dort, wo wir italienischen Boden betraten ist der Piemont.
Das ist eine Gegend wo gearbeitet wird und wo man sich nicht, wie im Süden Italiens die Sonne auf den Bauch scheinen lässt. Und das sieht man.
Hier liebt man sein Auto und sein Haus. Und die beiden müssen was herzeigen !
Das, was man besitzt muss wohl von allen zu bewundern sein, ist aber hinter hohen Mauern (Mit Gucklöchern) oder einem starken Schmiedezaun verrammelt. Außerdem ist das Anwesen mit dutzenden Videokameras gespickt und mit Alarmanlagen versehen. Das Ganze ist nur durch eine schwere, automatische Prunkportale zugänglich.
Jeder, den wir darauf ansprachen, beteuerte uns, dass dieses notwendig sei. Die Versicherung verlangt es wohl nicht ausdrücklich, aber bei all den Einbrüchen links und rechts sei es absolut erforderlich. Besonders die Zigeuner und die Süditaliener lungern hier in widerlichen Trauben herum und warten nur auf eine Gelegenheit um zu klauen. Und man zeigte uns das Nachbar-Anwesen links, ein anderes weiter hinten, wo kürzlich eingebrochen worden war. Alles wohl gut zu-gerammelt und eingemauert, aber offensichtlich wohl doch nicht einbruchssicher. Hatte dieser jemand, der uns das zeigte, eine noch bessere Anlage ?
Geheimnis.
Langsam bekamen auch wir Muffe, schlossen die Roulotte gut zu, blickten versteckt nach links und rechts, ob da nicht jemand lauert, bis wir es satt hatten uns zu ängstigen.
Nach flüchtigem Herumgeguggele sagte mein Computer: Überall steigt die Anzahl der Einbrüche, aber in alle Ländern ist ihre Rate mehr oder weniger die gleiche.
Es scheint sich also um eine der piemontesischen Kulturerrungenschaften zu handeln, die auch in der Lombardei und im Veneto verbreitet ist, im Friuli allerdings fast gar nicht. Die Friulaner und ihre Friuliinen sind halt noch rückständig.
Was die Zigeuner anbetrifft muss ich sagen, die hatten sich so gut versteckt, dass ich im Gegensatz zu Frankreich keine gesehen habe. Oder sie waren gerade am Klauen, und da die Häuser alle eingemauert sind, konnte ich sie ebenfalls nicht sehen.
Dass es viele Süditaliener in Norditalien gibt, glaube ich. Aber in Bremen kenne ich einen neapolitanischen Pizzaiolo und bei dem ist mir nichts aufgefallen. Es kann aber auch sein, dass sie den noch nicht geschnappt haben. Als ich jedenfalls das letzte Mal dort war, lief der noch frei in der Gegend rum.
Einer der ersten Eindrücke die wir seit dem ersten Tag in Norditalien gewonnen haben, war der, sich in einem Überwachungsstaat zu befinden. Bei vier Monaten Frankreich mit keiner Polizeikontrolle durften wir bei unseren fünf Italien-Monaten bis an die 30 Kontrollen genießen. Auf den Straßen, in den größeren und kleineren Orten, überall wimmelt es nur so an bewaffneten Polizisten, genauso wie von Radarfallen, die allerdings angekündigt werden. Die Polizisten nicht.
Die Carabineri sind Militärs im Polizeidienst. Sie sind korrekt und wenig lästig. Wie die Schmeißfliegen sind die Vigile, die Ortspolizisten, die sich stolz an ihren Püster klammern und durch Fragen und Kontrollen wichtig tun. Die Polizia Stradale kontrolliert anscheinend mehr aus Neugierde und zieht Minzbonbons vor. Ja, richtig gelesen ! Um diese Meute einigermaßen friedlich zu stimmen, bieten wir den eifrigen Beamten nach der Passkontrolle stets ein e Schachtel mit einem Bonbonsortiment an. Somit gewinnen wir einen Eindruck über die Bonbon-Vorlieben italienischer Polizisten. Leider haben wir keine Strichliste gemacht und können nichts Genaueres sagen.
Wie es im Süden Italiens aussieht, weiß ich nicht, aber Luciano meinte, es sei dort nicht so zugeschlossen, über Bonbons und die Polizei wisse er nichts.. Was allerdings die Steuern anbetrifft, ist es dort noch teurer als im Norden, aber nur für Dumme: Neben den normalen Abgaben und Steuern fallen noch die Schutzgebühren an die Mafia an. Dieses gleicht der pfiffige Süditaliener allerdings dadurch aus, dass er die Steuerzahlungen durch alle möglichen Tricks und Kniffe umgeht, der Mafia, die ihm dabei hilft, bedenkt er dafür etwas großzügiger.
Auf jeden Fall ist Italien ein bunt geschecktes Land.
Auch als Neulinge bemerkten wir sofort die großen Unterschiede von einem Landstrich zum anderen. Die meisten Leute sprechen ihren Dialekt, bemühen sich dann aber schnell ihr bestes Italienisch hervor zu zaubern, wenn sie mit uns reden.
Allerdings ist dabei zu bedenken, dass wir uns nur auf winzig kleinen Straßen bewegen und in kleinen Orten übernachten. Man sagte uns, dass es in den Städten nicht so wäre. Aber, wie gesagt, was hier „Dorf“ genannt wird, ähnelt mehr einem kleinen Städtchen oder einem Wohnvorort, und nicht dem, was sich Herr deutscher Biedermann unter einem Dorf vorstellt.
Jetzt aber eine sehr belustigende Sitte:
Nichts ahnend, vor mich hin trällernd, verließ ich eines schönen Sonnentages den kleinen Supermarkt, als die Kassendame, ja, es war eine Dame und kein Fräulein, als diese charmante Person quietschend und gestikulierend hinter mir her rannte. Hatte ich etwa einen Fuffi liegen lassen ?
Oder noch schlimmer ?
Reflexartig griff ich an meine Oberschenkel, wer weiß, vielleicht hatten mich, ganz unbewusst, alte Trampergewohnheiten heimgesucht. Es kann ja immer mal passieren, das eine einsame Flasche Grappa klamm heimlich in einer meiner Hosentaschen Zuflucht sucht. Aber nix da.
Jetzt hatte die Dame mich eingeholt und wedelte keuchend und jappend mit einem winzigen Zettelchen herum. Es war aber ganz und gar nicht heiß, es war im Februar, und als kühlender Fächer hätte dieses Zettelchen sowieso nicht hergehalten. Rätsel über Rätsel.
Jetzt war die hechelnde Grazie neben mir und überhäufte mich mit einem Wortschwall. Ich verstand nur Bahnhof, war aber sicher, dass es in diesem Ort keinen gab. Ich hatte vorher auf die Karte geguckt, da gab’s nichts zu deuteln: es gab hier keinen Bahnhof. Was nun?
Um nicht alles noch komplizierter zu machen, bedankte ich mich unter tiefen Verbeugungen und wollte gehen, als sie blitzschnell mit ihrer Hand in meine Hosentasche fuhr.
Ich konnte vor Verblüffung nicht reagieren und wartete auf Kommendes wie ein Lamm auf dem Opferaltar. Aber wiederum: Nix da. Wie weggezaubert war sie verschwunden.
Verdattert fragte ich mich: Geht das so schnell bei den Italienerinnen ?
Mit halb offenem Mund und schlaff herunterhängender Unterlippe versuchte ich mich zu sammeln, zu begreifen. Zugegeben, das ganze war mir etwas peinlich, nicht nur wegen der Tatsache, dass bei mir auch unten alles schlaff blieb, sondern besonders wegen meines nicht vorhandenen Durchblicks überhaupt. Um nachzusehen ob noch alles in Ordnung war, fummelte ich in meiner Hosentasche herum, und siehe da, da war doch was ?
Es war der Kassenbon, säuberlich zusammen gefaltet. Hatte ich ihn nicht im Laden zusammengeknüllt und in den Papierkorb geworfen ? Ich kapierte Null.
Meiner Anne erzählte ich natürlich nichts davon, wer weiß, was die gedacht hätte !
Später erfuhr ich folgendes:
In Italien gibt es ein Gesetz nach welchem man verpflichtet ist, bis zu 150 m nach dem Ort des Einkaufs, den Kassenzettel (scontrino) vorzuweisen zu können. Strafe bei Nichtbefolgen, 60 €.
Jetzt verstand ich, was die zahlreichen Beamten der Polizia Finanziaria, die in dezentem Grau durch die Straßen spazieren, zu tun haben. Als wir einmal aus einem Restaurant kamen und ein grau Uniformierter um die Ecke bog, zog ich unwillkürlich den Bauch ein und pfiff ein lustiges Liedlein, so als wäre nichts.
Denn wer weiß, vielleicht haben die auch Magensonden ?
Zum Schluss
Wer wirklich wissen will, wo wir uns von Etappe zu Etappe befinden und was dort so los war, der gucke auf die Landkarte, klicke die Köpfe der Stecknadeln an und lese. Wie zu sehen, ist der deutsche Text oben.
Ist das nicht allerliebst ?
Auch kann die werte Betrachterin feststellen, dass ich in letzter Zeit praktisch nichts Lesenswertes abgesondert habe. Das ist nicht so allerliebst.
Aber das hat mich nicht sonderlich verstört, denn ich habe sowieso ein sehr gespaltenes Verhältnis zu dieser Art von Zur-Schau-Stellung. Auch dem Facebook gucke ich nie ins Angesicht, das macht meine Anne um so sorgfältiger.
Langsam ist sie schon zu einer rechten Facebookianerin geworden, zählt die Freunde, klebt Bilder an die Wand, vergleicht die Reaktionen auf die Fotos hin, guckt sogar in den privaten Briefkasten, wo etliches von allen möglichen Leuten die wir nicht kennen, drin ist. Diese Botschaften sind wohl eine gegen die andere austauschbar. Sie zeigen nur an, dass da jemand an uns gedacht hat. Und das ist ja auch schon was.
Auch will ich niemandem die Schuld in die Schuhe schieben, aber wenn ich so meine Anne sehe, wie sie am Tippen ist, wie sie sich kundig guggelt, wie sie die tausende von Fotos aus dem Inneren des Rechners rauspult, auf den Bildschirm platscht, in Ordner einsortiert, unter ihr Geschreibsel klebt und zum Schluss zufrieden lächelt, ja dann, ja dann kommt bei mir so etwas wie schlechtes Gewissen auf.
Das dauert so seine Zeit und besonders an Ruhetagen, und noch besonderer an verregneten Ruhetagen, klebt sie ununterbrochen am Computer, auf dass die Bordbatterie schrumpele wie eine eingetrocknete Backpflaume. Und ich ?
Ich drehe Däumchen.
Aber ein schlechtes Gewissen vermiest einem den Genuss des Däumchen-Drehens. Also klemme ich mich ebenfalls vor die Kiste und tippe zäh und Zähne knirschend vor mich hin. Das Ergebnis sieht man hier.
Ist das nicht bejammernswürdig? Ein triftiger Grund was zu schreiben ?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass es Menschen gibt, die sehen sich auf einer Bühne stehend. Sie verhalten sich entsprechend, selbst wenn da keine Zuschauer sind, oder nur ganz wenige, oder nur der leervolle Cyberspace, der einen aus dem Bildschirm anglotzt.
Auf unserer Reise stehen wir oft im Mittelpunkt der Bewunderung. Komplimente prasseln auf uns ein, Zuwinken, Zulächeln, große und kleine Geschenke.
Wenn die Moral in den Seilen hängt, wenn der Tag kalt und grau ist, wenn nichts mehr geht, dann muntert das gewaltig auf. Freundlichkeit und menschliche Wärme heizt die Seele auf, genauso wie Miesepetrigkeit und Missgunst einen mit runter ziehen.
Die Cyberpumbselungen im Facebook scheinen das gleiche zu bewirken, deswegen ist es ein Heftpflästerchen gegen das Gefühl allein und ganz vergessen zu sein. Und es wirkt, ob man will oder nicht. Man kann sich nicht dagegen wehren, und wozu auch ? Auf jeden Fall erkläre ich mir den Erfolg des Facebook so.
Aber nur bei Menschen, welche die Kunst des gedankenverlorenen Däumchendrehens nicht beherrschen.
Eines allerdings ist zu erwähnen: unsere Art zu reisen erregt Aufsehen, weckt Träume. Auch ohne Facebook und Cyberzauberei. Wie andere Rentner auch, könnten wir ganz normal mit unserem Wohnmobil durch die Gegend gurken um uns die Sehenswürdigkeiten reinzuziehen. Das tun wir ja auch, nur mit dem Unterschied, dass unser Motor nur 2 PS hat und sich dementsprechend aufführt. Mehr ist offensichtlich nicht notwendig um in der Zeitung zu stehen und beschenkt zu werden. So einfach ist das, so wenig bewundernswert oder traumkitzelnd das auch sein möge.
Nein wirklich, absichtlich machen wir das nicht, aber nachhelfen tun wir schon ein bisschen. Zugegeben.
Ein Rat für die Bühnen-Verweigerer und Schauspieler-Mörder:
Reise nicht in einer Roulotte, dadurch bist du an den Asphalt geklebt und schwimmst im Verkehrsstrom, so sehr du auch ihn zu meiden versuchst. Wandele über einsamen Bergpfaden zu Fuß einher, mit einem Packtier vielleicht. Bist du hoch zu Ross, ist schon wieder der Zirkus los, wenn du eine Menschenseele kreuzt. Bleibe also unauffällig.
Meide die Cyberwelt. Website, Facebook, all das zieht nur die Bewunderer an wie ein Haufen Kacke die Fliegen. Am besten ist es, wenn du die wenigen Menschen die deinen einsamen Weg kreuzen, von vornherein anmuffelst und dich übelgelaunt abwendest. Nur so bleibst du in Ruhe.
Und unter uns. Das gilt auch dann, wenn du nicht auf Reise bist.
Oder, ist das ganze Leben nicht vielleicht eine Reise ?